Hilft Joggen bei Rückenschmerzen?

Hilft Joggen bei Rückenschmerzen?

Hilft Joggen bei Rückenschmerzen und wirkt sich Joggen vielleicht sogar positiv auf die Rückengesundheit aus?


Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden der Deutschen. Statistisch gesehen wird fast jeder Deutsche einmal im Leben unter Rückenschmerzen leiden. Daher stehen "Rückenschmerzen" und vor allem Schmerzen im Bereich des unteren Rücken seit langem im Fokus - sowohl im wissenschaftlichen als auch im therapeutischen Fokus.

Viele Studien haben untersucht, welche Ursachen Rückenschmerzen haben, wie Rückenschmerzen behandelt werden können und welche Sportarten am besten zur Vorbeugung bei Rückenschmerzen eingesetzt werden können.

Während es zur Behandlung von Rückenschmerzen und Verspannungen im unteren Rücken mittlerweile viele wissenschaftliche Erkenntnisse gibt und klare Empfehlungen, wie Rückenschmerzen effektiv zu behandeln sind, ist die Datenlage bezüglich der Prävention nicht ganz so eindeutig.

Joggen bei Rückenschmerzen - Hilft das wirklich?


Das liegt unter anderem daran, dass es bisher kaum wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, welche Trainingsformen bzw. welcher Sport sich positiv auf die Gesundheit der Bandscheiben auswirken. Wir wissen zwar, dass therapeutisches Training generell effektiv ist, um Rückenschmerzen im unteren Rücken zu lindern. 

So konnten James Steele und Kollegen zwar eindeutig zeigen, dass Rückenschmerzen durch gezieltes Training zurückgehen. Auf die Bandscheibenhydration, gemessen anhand der Bandscheibenhöhe, hatte das Training jedoch keinen Einfluss. [1] Zusammengefasst heißt das, wir wissen, dass bestimmte Trainingsformen, zum Beispiel therapeutisches Krafttraining Rückenschmerzen deutlich verbessert. Wir wissen jedoch nicht, welche Trainingsformen die Bandscheibe gesund erhalten und möglicherweise vor Verletzungen schützen können.

Doch 2017 hat eine Forschungsgruppe ein bisschen Licht ins Dunkel gebracht. Forscher konnten zeigen, dass regelmäßiges Joggen und Langstrecken-Läufe sich positiv auf die Bandscheibenhöhe auswirken. Die Bandscheibenhöhe ist ein Indikator dafür, wie viel Flüssigkeit in der Bandscheibe gebunden ist. Kurz gesagt, je höher die Bandscheibe, desto mehr Flüssigkeit befindet sich in der Bandscheibe. Je mehr Flüssigkeit in der Bandscheibe, desto besser kann die Bandscheibe Belastungen abpuffern und ihrer Funktion nachkommen.

Außerdem gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Stoffwechsel der Bandscheibe und der Flüssigkeitsversorgung der Bandscheibe. 

Einfach ausgedrückt:

Je besser die Flüssigkeitversorgung der Bandscheibe desto besser der Stoffwechsel. Je besser der Stoffwechsel, desto besser kann die Bandscheibe regenerieren.

Neben der verbesserten Bandscheibenhöhe konnten die Forscher auch zeigen, dass die Bandscheibe bei Läufern insgesamt dicker war, als bei der inaktiven Kontrollgruppe. Daraus lässt sich ableiten, dass der faserige äußere Anteil der Bandscheibe bei Läufern stabiler ist und die Läufer wahrscheinlich seltener Verletzungen der Bandscheibe erleiden.

Während diese Nachrichten in Wissenschaftskreisen für helle Aufregung gesorgt haben - schließlich gab es endlich eine spezielle Trainingsform, mit der die Bandscheibengesundheit pro-aktiv verbessert werden konnte - sind diese Erkenntnisse in der Öffentlichkeit kaum kommuniziert worden. Oder wusstest du etwa, dass regelmäßiges Joggen bei Rückenschmerzen hilft und deine Bandscheiben langfristig gesund hält?


Und das tolle daran ist, du musst garnicht so schnell Joggen, damit du die gesundheitlichen Effekte für deine Bandscheibe erreichst. In besagter Studie fanden die Wissenschaftler heraus, dass eine Geschwindigkeit von 2 m/s bereits optimale Ergebnisse für die Bandscheibe liefern. Umgerechnet bedeutet das eine Geschwindigkeit von 7,2 km/h oder 1,2 km in 10 Minuten

Auch die wöchentlich gelaufenen Kilometer sind mit 20-40 km nicht extrem hoch. Natürlich benötigt ein Anfänger etwas Training, bis er die vorgegebene Geschwindigkeit erreicht, trotzdem lassen sich Geschwindigkeit und wöchentliche Strecke mit ein bisschen Training gut erreichen und vor allem langfristig gut in den Wochenablauf integrieren.

Vor allem, wenn du bedenkst, dass Rückenschmerzen statistisch gesehen 2-6 Wochen dauern, bis sie wieder weg sind. Da solltest du doch ein bisschen Zeit pro Woche für Joggen freimachen können. Diese sparst du ja immerhin, weil du keine Rückenschmerzen bekommst und damit nicht 2-6 Wochen durch deine Rückenschmerzen im alltäglichen Leben eingeschränkt bist!


Aber was ist, wenn du schon Rückenschmerzen hast? Kann dann regelmäßiges Laufen gehen helfen?


Wie du oben bereits gelesen hast, ist moderates Laufen in Form von Joggen ein super Sport für deine Bandscheiben und kann dich vor Rückenschmerzen schützen. Doch kannst du auch einfach Laufen gehen, wenn du schon Rückenschmerzen hast?

Auch hier lautet die Antwort JA. In einer Studien aus dem Jahr 2005 verglichen Forscher spezifische Rückenübungen mit lockeren Ausdaueraktivitäten wie beispielsweise Joggen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass unspezifische Ausdaueraktivitäten, wie zum Beispiel Laufen und Fahrrad fahren, die Rückenschmerzen effektiver linderten als nur spezielle Übungen für den Rücken auszuführen. [3]

Warum das so ist, ist schwierig zu sagen. Was wir aus anderen Studien jedoch wissen, ist, dass Ausdauertraining und allgemeine Bewegung sich positiv auf das Schmerzempfinden auswirken. Je mehr du dich locker bewegst, wie zum Beispiel beim Spazieren gehen, Fahrrad fahren oder Joggen, desto besser wird deine Schmerztoleranz. Das heißt, du nimmst Schmerzen weniger wahr und wirst durch Schmerzen weniger im Alltag gestört. Wichtig ist hier natürlich, dass vorher medizinisch abgeklärt wurde, dass deine Beschwerden keine medizinisch-gefährlichen Ursachen haben. Zur Beruhigung vorweg, die meisten Rückenschmerzen - über 90% - sind zwar unangenehm und schmerzhaft, medizinisch aber nicht bedenklich! Meist ist nicht mal eine klare Ursache zu finden.

Und genau hier wirkt lockeres Laufen und Joggen sehr gut! Es reduziert deine Schmerzempfindlichkeit, sodass du dich im Alltag wieder besser bewegen kannst und deine Schmerzen dich nicht mehr so einschränken. Das wiederum führt dazu, dass du dich mehr bewegen kannst und dich besser fühlst, was wiederum deine Schmerzempfinden und die daraus resultierenden Einschränkungen positiv beeinflusst.

Außerdem wirkt sich Laufen positiv auf deinen Gemütszustand aus [5] - übrigens genauso wie auch Krafttraining. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum Laufen so gut gegen Rückenschmerzen hilft. Zumindest zeigen Studien, dass Rückenschmerzen stark mit dem Gemütszustand, den eigenen Emotionen und dem Wohlbefinden zusammenhängen. Wenn du dich psychisch unwohl fühlst, treten Rückenschmerzen tendentiell häufiger und intensiver auf. Wenn du dich dagegen wohl fühlst, sind Rückenschmerzen weniger einschränkend und treten seltener auf. [6, 7] Das ist aber Thema für einen oder mehrere Blogposts! Und es verdeutlicht einmal mehr, dass Rückenschmerzen - genauso wie alle anderen Schmerzen - meist komplex sind und von vielen Faktoren beeinflusst werden. Deutlich komplexer, als wir uns das mit unserem "einfachen" Denken vorstellen können!

Natürlich ist Joggen alleine nicht das Heilmittel gegen Rückenschmerzen und natürlich bedarf es häufig mehr, als nur mehr Bewegung.

An erster Stelle muss abgeklärt werden, dass deine Schmerzen nicht die Folge einer ernsthaften Verletzung oder ernsthafter Krankheiten sind. Ist das geschehen, solltest du mit einem geschulten Therapeuten oder Trainer einen Plan erstellen, wie du Joggen einbauen kannst, damit es sich positiv auf deine Beschwerden auswirken kann.

Da geht es dann darum, wie oft du läufst, welche Geschwindigkeit, welche Tageszeit und wie du dein Laufen an deine Beschwerden anpassen kannst - also wann du weniger machen solltest, wann du Joggen und Training vorübergehend vermeiden musst und wann du steigern solltest. Einfach gesagt, du solltest dir einen Experten suchen, der dich unterstützt und mit dir einen klaren Plan macht, mit dem du langsam wieder aufbaust!

Und dann heißt's damit anfangen, Geduld haben, nichts überstürzen und vor allem langfristig dranbleiben. Damit deine Rückenschmerzen besser werden und nicht mehr wiederkommen!

Im Gegensatz zum ersten Abschnitt kann ich dir keine klaren Empfehlungen und Tipps geben, wie du dein Laufen genau aufbaust, damit du deine Rückenschmerzen loswirst. Das liegt daran, dass Schmerzen - und eben auch Rückenschmerzen - extrem individuell sind. Und die Reaktion des Körpers auf die Schmerzen und Aktivität unterschiedlich sind. Das einzige, was sich allgemein festhalten lässt:

Regelmäßiges Joggen wirkt schmerzlindernd, wirkt sich positiv auf deinen Gemütszustand und auf deine Rückenschmerzen aus und sorgt langfristig dafür, dass du weniger Rückenschmerzen hast. 

Und wenn du locker anfängst, auf deinen Körper hörst und dein Joggen behutsam an deine Schmerzveränderungen anpasst, wirst du garantiert davon profitieren! Hier findest du noch einige Tipps und Strategien, um das richtige Gleichgewicht zwischen Belastung und Erholung beim Joggen zu finden. 

Ich hoffe ich konnte dir helfen deine Rückenschmerzen etwas besser zu verstehen und zeigen, dass Rückenschmerzen kein Grund sind das Joggen aufzugeben. Hier kannst du dich für mein kostenloses Online Selbstbehandlungsprogramm für Läufer eintragen. Im Programm erfährst du, woher deine Beschwerden beim Joggen kommen und wie du wieder Schritt für Schritt beschwerdefrei Joggen gehen kannst!

Quellenangaben

1. Isolated Lumbar Extension Resistance Training Improves Strength, Pain, and Disability, but Not Spinal Height or Shrinkage (“Creep”) in Participants with Chronic Low Back Pain

2. Running exercise strengthens the intervertebral disc

3. Effects of Recreational Physical Activity and Back Exercises on Low Back Pain and Psychological Distress: Findings From the UCLA Low Back Pain Study

4. Aerobic Training Increases Pain Tolerance in Healthy Individuals

5. The psychological benefits of recreational running: a field study.

6. Do psychological factors increase the risk for back pain in the general population in both a cross‐sectional and prospective analysis?

7. Associations between low back pain and depression and somatization in a Canadian emerging adult population

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