Was ist Morbus Osgood Schlatter und was kannst du selber dagegen tun?

Was ist Morbus Osgood Schlatter und was kannst du selber dagegen tun?

Was ist Morbus Osgood Schlatter?


Bei Morbus Osgood Schlatter, auch "osgood schlatter disease" genannt oder abgekürzt "osd", handelt es sich um eine schmerzhafte Reizung des vorderen Kniegelenks und des vorderen Schienbeins. Betroffen ist vor allem die knöcherne Stelle, an der die Patellasehne am oberen Schienbein ansetzt - die sogenannte Tuberositas Tibiae. 

Die Tuberositas Tibiae ist der knöcherne Vorsprung, den du ertasten kannst, wenn du mit den Fingern über deine Kniescheibe nach unten Richtung Schienbein fährst.

Zu den häufigsten Symptomen des Morbus Osgood Schlatter gehören Schmerzen bei Belastung, Druckschmerzen und Schwellungszustände direkt im Bereich der Tuberositas Tibiae. Im akuten Zustand kann zu der Schwellung auch eine entzündliche Rötung und Überwärmung des knöchernen Vorsprungs am Schienbein und der Patella-Sehne auftreten. Diese beiden Symptome müssen jedoch nicht zwingend bei dir auftreten.

Die Schmerzen treten meist bei oder nach höherer Belastung, wie zum Beispiel nach Spielsportarten wie Fussball oder Handball, aber auch nach schnellem und längerem Rennen und Joggen auf.

Bestehen die Beschwerden bereits, merkst du die Schmerzen häufig auch im Alltag, wie beispielsweise beim Treppe steigen, beim in die Hocke gehen und beim "Knien".

Neben diesen bewegungsabhängigen Symptomen kannst du den Schmerz auch durch Druck auf den knöchernen Vorsprung des Schienbeines provozieren. 

Je nach Ausprägung deiner Symptomatik lagert sich vermehrt Knochensubstanz im Bereich des Schienbeinkopfes ein. Dadurch sieht man Patienten im Erwachsenen-Alter häufig an, ob sie unter einem stark ausgeprägtem Osgood Schlatter im Jugend-Alter gelitten haben. Nämlich dadurch, dass die tastbare knöcherne Stelle am Schienbein viel stärker ausgeprägt ist, als bei Menschen ohne Osgood-Schlatter-Historie.


Was ist die Ursache für Morbus Osgood Schlatter?


Meist treten die Schmerzen und Symptome bei Kindern und Jugendlichen mit sehr hoher sportlicher Belastung auf. Typischerweise bei Spielsportarten, in denen schnelle Richtungswechsel und Sprünge das Spielgeschehen bestimmen. 

Morbus Osgood Schlatter tritt häufig bei Kindern und Jugendlichen aufgrund hoher sportlicher Belastungen auf!


Zum Beispiel:

  • Fussball
  • Handball
  • Volleyball
  • Tennis
  • Rugby
  • Football

Da bei Kindern und Jugendlichen das Schienbein - vor allem im oberen Bereich - noch nicht komplett verknöchert ist, kann durch den ständigen Muskelzug der Oberschenkelstreck-Muskulatur an der Patellasehne der Ansatzpunkt - die Tuberositas Tibiae - gereizt werden. Die Folge ist eine Irritation und daraus eine Störung der Verknöcherung im Bereich der Tuberositas Tibiae.

Da die Erkrankung nahezu ausschließlich in Folge von sportlicher Überbelastung auftritt, wird häufig auch von einer Überlastungs - Erkrankung des Kniegelenkes gesprochen.

Wichtig: Morbus Osgood Schlatter tritt nicht durch eine einmalige sportliche Überbelastung auf. Erst bei längerer und häufigerer mechanischer Überbelastung der Patella-Sehne und der Tuberositas Tibiae kommt es zur Entwicklung des Osgood Schlatter. Daher sind meist Kinder und Jugendliche betroffen, die im Nachwuchsleistungssport aktiv sind oder mehrere der genannten Sportarten betreiben.

Neben dem erhöhten Sportpensum, gibt es weitere Risikofaktoren, die die Entwicklung eines Morbus Osgood Schlatter begünstigen. Dazu gehören:

  • Geschlecht
    • männliche Jugendliche sind häufiger betroffen als weibliche Jugendliche
  • Alter
    • männliche Jugendliche zwischen 12-15 und weibliche Jugendliche zwischen 8-12 sind am häufigsten betroffen
  • plötzliches Längenwachstum
    • häufig tritt die Erkrankung in Wachstumsphasen auf. Das Skelett wächst in kürzester Zeit ("der/die Betroffene hat einen richtigen Wachstumsschub gehabt"), das Muskel- und Bindegewebe benötigt länger, um sich an diese neuen Hebel- und Größenverhältnisse anzupassen. Und dabei kann es zu Überlastungen im Bereich des Sehnen- und Bandapparates und deren Verbindung zum Skelett kommen. 


Wie sieht die Therapie bei Morbus Osgood Schlatter aus?


Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass ein Osgood Schlatter selbstlimitierend ist. Da es sich um eine Verknöcherungsstörung handelt, wurde meist eine vorübergehende Belastungspause verschrieben - also kein Sport und keine hohe körperliche Belastung für einige Wochen bis hin zu einigen Monaten. Danach sollte die Symptomatik abgeklungen sein.

Bei Wiederauftreten wurden erneute, meist längere Belastungspausen empfohlen.

Neuere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Erkrankung durch Belastungspausen und Entlastung in vielen Fällen nicht (komplett) abklingt. In einer Untersuchung litten 4 Jahre nach der Osgood-Schlatter Diagnose immer noch mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer unter ihren Knieschmerzen und 40% der Befragten gaben an, sogar täglichen unter Schmerzen im Knie zu leiden. [1]

Daher muss mittlerweile die Idee, dass Morbus Osgood Schlatter selbstlimitierend abläuft und durch Entlastung abheilt, in Frage gestellt werden. Viel mehr scheinen gezielte Therapie und gezieltes Training notwendig zu sein, um Osgood-Schlatter langfristig und dauerhaft in den Griff zu bekommen! Hier zeigen sich deutliche Überschneidungen zum Patella-Spitzen-Syndrom!

Im akuten Stadium kann es sein, dass du dein Knie zumindest vorübergehend entlasten musst. Zusätzlich zur Sportpause können physikalischen Maßnahmen, wie beispielsweise Massage, Elektrotherapie, Kältetherapie und Tape/Kinesio-Tape die Irritation deines Knies lindern, sodass du Alltagsbelastungen wieder besser tolerierst.

Langfristig ist es jedoch notwendig, dass du durch medizinische Trainingstherapie die Beweglichkeit, vor allem aber die Kraft und die Belastbarkeit deines Kniegelenkes wieder auftrainierst. 

Die Trainingstherapie hat dabei einen besonders hohen, wenn nicht sogar den höchsten Stellenwert in der Behandlung bei Morbus Osgood Schlatter. Mehrere Studien konnten zeigen, dass bei Osgood Schlatter - Patienten sowohl die Muskelkraft als auch die Dehnfähigkeit der Oberschenkelstreckmuskulatur, des musculus quadriceps femoris, deutlich reduziert ist. [2] Daher muss die Kraft wieder auftrainiert und die Beweglichkeit wiederhergestellt werden, um eine normale Knie-Funktion zu erreichen.

Und weder Kraft noch Beweglichkeit wird durch längerfristige Entlastung verbessert. Ganz im Gegenteil nimmt Kraft und Muskelmasse schon nach 3 wöchiger Entlastung messbar ab, weswegen eine Entlastung, wenn überhaupt, nur kurzfristig angebracht ist! Langfristig werden deine Beschwerden und deine Leistungsfähigkeit nur besser, wenn deine knieumgebende Muskulatur richtig auftrainiert wird und dein Kniegelenk langsam, aber konsequent, belastbarer wird!

Aber auch in der akuten Phase ist es wichtig, dass du ein gezieltes Trainingsprogramm bekommst, damit durch die Entlastung deines Beines nicht auch der Rest deines Körpers an Leistungsfähigkeit abbaut. 

Neben gezieltem Training ist ein individuelles Belastungs- und Symptom-Management unabdingbar für eine erfolgreiche Osgood Schlatter Rehabilitation. Belastungs- und Symptom-Management bedeutet, dass du die Bewegungen, Aktivitäten und Situationen identifizierst, in denen dein Knie 

  1. deutliche Symptome auslöst (eine Zunahme von mehr als 2 Punkten auf einer Skala von 1-10 bezüglich Schmerzen)
  2. Schmerzen und Symptome im Knie auch nach den Belastungen weiterhin erhöht anhalten (mehr als 15 Minuten)
  3. Schmerzen und Symptome in den folgenden Stunden nach Belastung "aus dem Nichts" wieder zunehmen (Hier ist meist der nächste Morgen kurz nach dem Aufstehen ein relevanter Indikator. Fühlt sich dein Knie steifer und schmerzhafter als an den anderen Tagen an, waren die Belastungen wahrscheinlich zu viel für dein Knie)

Wenn du diese Bewegungen, Aktivitäten und Situationen identifiziert hast, versuchst du sie so zu modifizieren, dass weniger Schmerzen auftreten und vor allem, dass es nicht zu einer bleibenden Verschlechterung (über Stunden nach der Belastung) und der beschriebenen Morgen-Symptome kommt. Modifikation kann bedeuten, dass du weniger machst, mehr Pausen einlegst oder Bewegungen, Aktivitäten und Situationen vorübergehend komplett vermeidest (und, sobald sich deine Symptome insgesamt reduzieren, dosiert wieder in deinen Alltag einbaust).

Hier kann ein Symptom-Tagebuch Sinn machen. In dem Tagebuch vermerkst du deinen Tagesablauf (alles, was du gemacht hast), bei welchen Aktivitäten Beschwerden aufgetreten sind und wie sich deine Symptome morgens und im Tagesverlauf (unabhängig der Aktivitäten) verhalten haben. So kannst du Daten sammeln und dir die Suche nach Schmerztrigger erleichtern und nachfolgend diese modifizieren oder vorübergehend komplett beseitigen!

Was kannst du selber gegen deine Schmerzen und Beschwerden tun?

Wichtig: Das gleich vorgestellte Übungsprozedere und die vorgestellten Übungen ersetzen weder die Diagnose und Beratung beim Arzt, noch die Betreuung durch einen fachkundigen Physiotherapeuten mit Spezialisierung "Trainingstherapie". Der folgende Abschnitt soll dir die Möglichkeit geben, deine bisherige Therapie einzuschätzen, mögliche Anpassungen vorzunehmen und gemeinsam mit Arzt und Therapeut den für dich effektivsten Ansatz zu finden. Wenn du dir unsicher bist und Informationen zu Therapie und Training benötigst, kannst du hier einen Beratungstermin mit mir vereinbaren. 

Wenn deine Beschwerden ganz akut sind, kannst du durch mildes kühlen, beispielsweise mit einem in ein Handtuch eingepacktes Eispack oder einen kühlen Waschlappen, die Reizung im Knie und die Knieschmerzen lindern. Auch Quarkwickel oder Wickel mit Retterspitz können helfen, um die akute Reizung zu lindern.

Dann solltest du aber schnellstmöglich wieder aktiv werden und durch dosierte Übungen die Belastbarkeit, Kraft und Beweglichkeit deines Kniegelenkes wieder auftrainieren.

Ich persönlich nutze das folgende Framework als Leitfaden für die Trainingstherapie bei Morbus Osgood Schlatter, aber auch anderen Reizungen der Patella-Sehne:

Morbus Osgood Schlatter Behandlungs-Algorithmus

Quelle: https://bjsm.bmj.com/pages/wp-content/uploads/sites/17/2019/06/OSD-table.pdf

Im Framework werden verschiedene Übungsstufen für Kräftigungsübungen und sportliche Aktivitäten dargestellt. Zusätzlich erhälst du bei den Kräftigungsübungen genaue Vorgaben, wie viele Wiederholungen, Sätze etc. du bei der jeweiligen Übung durchführen sollst.

Du startest bei der ersten Stufe und dosierst die Übungen jeweils so, dass du während der Übungsausführung Symptome im Spektrum von 2/10 auf deiner Schmerzskala erreichst.

0 Punkte auf der Skala sind keine Symptome, 10 Punkte auf der Skala sind die stärksten Schmerzen an deinem Knie, die du dir vorstellen kannst.

Erst wenn du eine Stufe an Übungen komplett ausführen kannst, ohne dass du währenddessen, direkt nach der Übung, aber auch am nächsten Morgen nach der Übung auf der Schmerzskala keine höheren Werte als 2/10 erreicht hast, wechselst du die Übung auf das nächst-höhere Level. Genau das selbe gilt auch für die sportlichen Ausdaueraktivitäten (im Bild blau dargestellt).

Erst wenn du alle Level bis Level 3 bei den Kräftigungsübungen und Level 10 bei den Aktivitäten erreicht hast, solltest du wieder mit deinem normalen Sport anfangen. Durch diese langsame aber stetige Steigerung baust du wieder Kraft und Muskelmasse in der Knie-Streck-Muskulatur auf, ohne die Sehne und den Knochen-Sehnen-Übergang zu reizen. 

Gleichzeitig ermöglichst du dem Knochen-Sehnen-Übergang sich an die steigenden Belastungen bei den Übungen anzupassen und in der späteren Phase in deinem Sport wieder voll zu funktionieren. 


Schritt für Schritt-Anleitung gegen Morbus Osgood Schlatter


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Quellenangabe:

[1] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6823982/

[2] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26133498

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